Lebensversicherungs­reformgesetz (LVRG) in Kraft getreten

Das Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (kurz: Lebensversicherungsreformgesetz – LVRG) ist am 6.8.2014 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und damit nun in Kraft getreten.
Mit einer Reihe von Änderungen soll das Gesetz die deutsche Lebensversicherung in Zeiten einer extremen Niedrigzinsphase sicherer machen, zum anderen soll es die Rechte der Verbraucher weiter verbessern.

Zu den Änderungen im Einzelnen:

Veränderungen der Regularien für die Überschussbeteiligung

a) Beteiligung an den Bewertungsreserven

Bisher hat ein aus dem Versicherungskollektiv ausscheidender Kunde grundsätzlich Anspruch auf die Hälfte der auf seinen Vertrag entfallenden Bewertungsreserven. Diese von Seiten der Versicherungswirtschaft, der Aktuare, vieler Experten und auch der Versicherungsaufsicht vielfach kritisierte Regelung wird nun zu Lasten der ausscheidenden Kunden wie folgt geändert:

Der hälftige Anspruch auf Beteiligung an den Bewertungsreseven bezieht sich zukünftig zunächst nur noch auf die Bewertungsreserven aus Anlagen, die keine festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäfte sind, also zum Beispiel Aktien und Immobilien. Bewertungsreserven aus festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften werden nur noch insoweit berücksichtigt, wie diese den sogenannten Sicherungsbedarf überschreiten. Der Sicherungsbedarf ist die positive Differenz zwischen einer fiktiven Deckungsrückstellung (sogenannte Zinssatzverpflichtung), die die aktuellen Verhältnisse am Kapitalmarkt reflektiert, und der mit dem Rechnungszins kalkulierten Deckungsrückstellung, die noch ggf. um eine Zinszusatzreserve erhöht ist.

Diese Neuregelung war in der Öffentlichkeit die umstritteste Neuregelung im LVRG und ist sicherlich für viele Kunden ärgerlich, die in den nächsten Monaten ihre Ablaufleistung erhalten werden. Sie wird nun aber dazu führen, dass die Glättung der Überschüsse über die verschiedenen Sparer-Generationen hinweg, wieder als grundlegendes Element der deutschen Lebensversicherung erkennbar wird.

b) Mindestbeteiligung an den Überschüssen und kollektive Teil-RfB

Die Verbraucherverbände fordern seit langem die Kunden an den Risikoüberschüssen höher zu beteiligen. Diesem Verlangen ist der Gestzgeber nun gefolgt. Die Mindestbeteiligung der Kunden an den Risikoüberschüssen wird von derzeit 75% auf 90% erhöht. Da die Risikoüberschüsse aufgrund der sinkenden Kapitalerträge in den letzten Jahren für die Versicherer immer wichtiger geworden sind, um die Solvabilitätsanforderungen zu erfüllen, ist diese Regelung unter Risikoaspekten leider eher kontraproduktiv. Um die Funktion der Überschüsse als Risikopuffer nicht noch weiter zu gefährden, wird nun aber bei einem negativem Kapitalanlageergebnis unter gewissen Bedingungen eine Verrechnung mit positiven Risiko- und Kostengewinnen erlaubt. Diese Regelung erhöht die Flexibilität der Unternehmen in der derzeit kritischen Kapitalmarktsituation. Die Verrechnungssperren für Risiko- und Kostenverluste bleiben jedoch erhalten, d.h. hier tragen letzlich die Aktionäre das Risiko. Für die bereits mit dem SEPA-Begleitgesetz in 2013 eingeführte kollektive Teil-RfB werden jetzt die notwendigen Regeln in der Mindest-Zuführungsverordnung (MindZV) formuliert.

c) Begrenzung der freien RfB

Die freie oder ungebundene Rückstellung für Beitragsrückerstattung (Rfb) ist ein wichtiger Teil der bei der Solvabilitätsberechnung anrechenbaren Eigenmittel des Versicherers, da diese Mittel mit Zustimmung der Aufsicht im Notfall für einen Verlustausgleich verwendet werden können. Im Interesse einer zeitnahen Beteiligung der Kunden an den Überschüssen sollte diese Position aber aus Verbraucherschutzgründen nicht zu hoch werden. Die bisherige Regelung war aber bzgl. ihrer Wirkung auf die Risikolage der Versicherer kontraproduktiv, da sie gerade in schwierigen Zeiten zu einer Verringerung der zulässigen freien RfB führte. Daher wird nun endlich die Berechnung der Höchstgrenze der ungebundenen RfB risiko-orientiert neu geregelt. Zukünftig orientiert sich die höchstzulässige freie RfB an der Summe von zwei Komponenenten: 1. das Zweifache der im Folgejahr an die Kunden auszuschüttenden Überschussbeteiligungen und 2. (80 + X) % der notwendigen Solvabilitätsmittel. Der Puffer X ist in „guten Jahren“ Null, konkret wenn die dreijährige Durchschnittsnettoverzinsung größer als 5% ist. In „schlechten Jahren“ ist X positiv, z.B. gleich 20%, wenn die dreijährige Durchschnittsnettoverzinung genau 4% ist. Damit wird erreicht, dass die freie RfB auch in Niedrigzinsphasen ihre Funktion als Risikopuffer behalten kann. Die steuerliche Regelung zur Begrenzung der freien RfB in §21 KStG, die in der Praxis ebenfalls beachtet werden muss, ist leiderdurch das LVRG nicht risikoorientiert verändert worden. In gewissen Konstellationen kann es also auch zukünftig vorkommen, dass die freie RfB und damit die Solvabilitätsmittel trotz schwieriger Kapitalmarktlage durch Sonderausschüttungen verringert werden müssen.

Veränderung von Bilanzierungsregeln

a) Absenkung des Höchstrechnungszins für die Deckungsrückstellung

Zum 1. Januar 2015 sinkt der Höchstrechnungszins für die Berechnung der Deckungsrückstellung für neue Verträge von derzeit 1,75% auf 1,25%. Da fast alle Versicherer auch die Beiträge mit diesem Rechnungszins berechnen, werden ab 2015 die klassischen Kapital- und Rentenversicherungsverträge im Neugeschäft ebenfalls mit 1,25% rechnungsmäßiger Verzinsung kalkuliert. Dies führt notwendigerweise bei sonst gleichbleibenden Verhältnissen (Kosten und Sterblichkeit) zu Preiserhöhungen für den garantierten Teil der Versicherung. Ein gewisser Ausgleich wird durch eine mögliche bessere Überschussbeteiligung gegeben, die aber erstens zeitlich verzögert gegeben wird und zweitens eben nicht in der Höhe garantiert ist. Bereits abgeschlossene Verträge sind nicht betroffen.

b) Höchstzillmersatz

Ab 1. Januar 2015 sinkt der Höchstzillmersatz bei Lebensversicherungen von 40 auf 25 Promille. In der Kosequenz bedeutet dies für die Unternehmen, dass sie in den ersten fünf Jahren der Vertragslaufzeit die Abschlusskosten nur in Höhe von bis zu 25 Promille der Beitragssumme eines Lebensversicherungsvertrages bilanziell anrechnen können. Dies führt tendenziell zu höheren Rückkaufswerten und erhöht den ökonomischen Druck, die Abschlusskosten in den Unternehmen zu verringern.

c) Berechnung der Zinszusatzreserve

Ab Geschäftsjahr 2014 wird die Berechnungsmethode der Zinszusatzreserve durch die Verwendung von neuen Referenzzinssätzen geringfügig geändert. In der Praxis hat dies solange keine Auswirkungen, wie die Rendite von Staatsanleihen höchster Bonität in gleicher Größenordnung liegt wie die Swapzinssätze bei den Banken.

Ausschüttungssperre für Dividenden

Um bei dauerhaft niedrigen Zinsen auch die Aktionäre an der Sicherstellung der Garantieverpflichtungen zu beteiligen, führt das LVRG eine Ausschüttungssperre für Dividenden ein. So soll verhindert werden, dass Mittel aus Unternehmen an die Aktionäre abfließen können, die eigentlich zur Sicherung der Garantien benötigt werden. Nicht erfasst sind Unternehmen, die zu einer Muttergesellschaft gehören und mit ihr einen Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen haben. Da die Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft eine Verlustausgleichspflicht hat, argumentiert der Gesetzgeber dass die Gewinne weiterhin abgeführt werden können. Bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit verbleiben die nicht an die VN ausgeschütteten Gewinne auch jetzt schon im Unternehmen.

Die Versicherungsbranche befürchtet, dass sich diese Neuregelung negativ auf die Fähigkeit zur Besorgung von frischen Aktionärsmitteln auswirken. Dies gilt insbesondere, da allgemein erwartet wird, dass auch die Einführung von Solvency II bei den Versicherern den Bedarf an Eigenkapital erhöhen wird.

Neue Informationspflichten

Lebensversicherungsverträge müssen zukünftig in der Produktinformation eine Kennzahl zur effektiven Kostenbelastung enthalten. Damit soll die Regelung, die bereits im Juni 2013 im Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG) für geförderte Riesterverträge beschlossen worden ist (aber immer noch nicht umgesetzt ist!), für alle Sparprodukte ab 1. Januar 2015 Pflicht werden. Die sogenannte Effektivkostenquote („Reduction in Yield“) gibt an, wie sich die einkalkulierten Kosten (Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten) auf die Rendite einer Police auswirken. Ziel dieser Regelung ist eine erhöhte Kostentransparenz für den Verbraucher. Auf die ursprünglich andiskutierte Angabe der vom Vermittler verdienten Provision wurde nun doch verzichtet.

Fazit

Das LVRG bringt viele Änderungen für Versicherer, Vermittler und Kunden. Vieles davon ist zwar schon länger im Gespräch, war aber politisch heiß umstritten. Der Zeitrahmen für die Umsetzung ist nun extrem knapp, da bereits zum 1.1.2015 neue Produkte realisiert werden müssen und es auch in den Abläufen im Rechnungswesen zu erheblichen Änderungen kommen wird. Nicht zuletzt sind die Vertriebe und sinnvollerweise auch die Kunden über die Neuerungen zeitnah zu informieren. Insbesondere in den Aktuariaten der Versicherer werden daher die Kapazitäten knapp sein, da gleichzeitig auch das Megaprojekt Solvency II in die Endphase kommt. Wäre da nicht die Zeit für ein Gespräch über Unterstützungsmöglichkeiten durch externe Beratung eine gute Investition?